Südzeit
Ausgabe 01.2005
TRANSAFRIKA
Zu Gast bei Rebellen
im Südsudan
Eineinhalb Jahre lang ein Jeep als Zuhause
Eineinhalb Jahre
im Jeep
durch Afrika
Eine Kamera und zwei Wagemutige
Doppelt durch Afrika
Mit Pygmäen auf die Jagd
Globetrotter bald wieder da
Der lange Weg zurück
Ulmer am Südkap
Bei den Elefanten im Tschad
Einmal Südkap
und zurück

GLOBETROTTER
Kraft aus der Einsamkeit der Wüste


[Download Südzeit 01/06 Seite 3 bis 5 (171 KB, pdf)]
FERNSICHT
Zu Gast bei Rebellen im Südsudan

Unicef in Yambio  
Unicef in Yambio FOTO: afritracks


















Von einer Reise durch den Südsudan berichtet Sabine Fratzke aus Ulm. Dort führen Zentralregierung und Rebellen seit über 21 Jahren Krieg und die UN sucht verzweifelt nach einer Friedenslösung. Ein Grund für den Konflikt: Im Südsudan werden 300 000 Barrel Rohöl pro Tag gefördert. Als Gast der südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLM besuchte Sabine Fratzke zusammen mit ihrem Partner den nach Unabhängigkeit strebenden Südsudan „New Sudan". Die Ulmer Ingenieurin lernte selbstbewusste Menschen kennen.


Dorfbarriere mit Bewaffneten  
Dorfbarriere mit Bewaffneten.
FOTO: afritracks
Empfang bei den Rebellen

An der improvisierten Grenze zwischen Zentralafrikanischer Republik und Sudan liegt ein dicker Ast quer über dem Weg. Ein Empfangskomitee wartet. Ein Sudanese in kariertem Hemd mit Strohhut übernimmt uns. Der „Schlagbaum" wird weggezogen. Durch eine Allee dunkelgrüner Mangobäume rollen wir in unserem Jeep nach Si Yubu Payam hinein. Die kurze Fahrt findet am Ende der Allee vor einem flachen u-förmigen Gebäude ihr Ende. Einschusslöcher dokumentieren, dass wir ein Kriegsgebiet betreten haben. Wir schütteln die Hände der Anwesenden. Zwei abgewetzte Schreibtische voller Akten und einige Stühle sind die spärliche Möblierung eines dunklen Büroraumes. An den sonst kahlen Wänden hängen ein Poster des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, ein handgezeichnetes Organigramm der Einheitspartei SPLM/SPLA (Zusammenschluss der Sudanese People Liberation Movement und Sudanese People Liberation Army) und ein detaillierter örtlicher Stadtplan. Der Vorsitzende beginnt eine Vorstellungsrunde, in der wir Namen und Funktion aller Anwesenden erfahren. Dann beginnt er mit Fragen. Was wir im Sudan wollen, wie wir hierher gefunden haben, wohin wir nach dem Sudan wollen, was wir dort, wo wir hin wollen, erledigen wollen, usw. Währenddessen wandern unsere Pässe durch die Runde und alle, die nicht gerade ihren Blick in unsere Papiere werfen, beobachten uns. Warum wollen wir nach Uganda? Um die Gorillas anzuschauen. Aha. You know, that there are guerillas in New Sudan? Nein, wirklich? Wir sind verwirrt. Was wollte er wissen? Erst viel später, als sich die Anspannung etwas gelegt hat, begreifen wir den Witz: Gorilla und Guerilla klingt im Englischen ähnlich.

10.000 sudanesische Pfund pro Person - die Währung aus der Kolonialzeit gilt im Südsudan heute noch als Zahlungsmittel, während in Norden der sudanesische Dinar eingeführt wurde - eröffnet uns der Vorsitzende, sei die Einreisegebühr in den New Sudan. Auf unsere skeptische Nachfrage wird uns versichert, dass es sich hierbei um eine einmalige Visa-Gebühr handeln würde und alle weiteren behördlichen Kontakte kostenlos seien. Wir einigen uns auf 5.000 Pfund für uns beide zusammen.

Bei der anschließenden gründlichen Durchsuchung des Fahrzeugs erregten unsere Tauchpässe die meiste Aufmerksamkeit und ein Souvenir aus dem Kunsthandwerksmarkt in Bangui: die Figur eines Schwarzen im Bastrock wurde amüsiert herumgereicht.

„No dangerous people, no dangerous animals, the road is your only enemy", mit dieser Entschuldigung für die Beschaffenheit der Pisten wünschten sie uns eine gute Reise durch ihr Land. Sie empfahlen uns innerhalb des von ihnen seit vierzehn Jahren befriedeten Streifens entlang der Westgrenze zu bleiben und nicht über Juba zu fahren, weil sich dies unter Kontrolle der Zentralregierung befindet:

Unterwegs mit „Mum"

Wir hatten uns nicht getraut dem Leiter der Kommission in Si Yubu sein, geschickt zwischen Verhör und Durchsuchung eingeflochtenes, Anliegen abzuschlagen. Wir sollten eine alte Frau mit nach Yambio nehmen. Entlang der kilometerlangen Mangoallee verließen wir Si Yubu. Die dunkelgrünen großen Prachtexemplare hatten wir lautstark bewundert, worauf unser Führer John beschrieb, dass man auf Unmengen Mangos herumfährt, wenn die Früchte reif sind. Sie wüssten gar nicht was sie mit den vielen Mangos machen sollten. „Wir brauchen ein Projekt", lautete Johns Lösung und versteckte Anfrage. Dasselbe mit den, bereits von den Kolonialherren angelegten, riesigen Teakplantagen, die wir danach durchquerten. Die Buschpiste war teilweise in sehr schlechtem Zustand. Hin und wieder passierten wir einige verlassene Hütten. Doch aus einigen Dörfern sind die Einwohner nicht geflüchtet oder bereits zurückgekehrt. Kleine Märkte und gepflegte Hütten mit Vorgärten, die von akkurat zurechtgestutzten Hecken umrandet waren. Nach außen schien es, als ob die Bewohner vom Krieg nicht weiter tangiert werden. Dann wieder ein zerfallenes Haus im Wald oder die Überreste eines mit Panzerfäusten von der Piste geschossenen LKWs. Trotz vielfacher Warnungen nicht im Dunkeln zu fahren, mussten wir die letzten Kilometer bei Nacht hinter uns bringen. Unsere Mitfahrerin wollte immer weiter fahren und fand partout nicht ihr anvisiertes Domizil. Erst nachdem •Yambio schon fast hinter uns lag, kamen wir auf die Idee, einen Passanten um Übersetzung zu bitten. Es stellte sich heraus, dass die gute Frau gerne bis nach Uganda mit uns gereist wäre. Auf dem kirchlichen Anwesen, wo wir übernachteten, ließen wir unseren Fahrgast zurück.

Markt in Yambio  
Markt in Yambio FOTO: afritracks
Ungestört fotografieren

Vor der Weiterreise bewundern wir das Treiben auf dem malerischen Markt unter einem großen Baum. Im Vorbeigehen fragen wir pro forma den SRA-Aktivisten Thomas, ob es möglich sei, auf dem Markt Fotos zu machen. Ein Fehler, wie sich schon bald herausstellt. Die nächsten fünf Stunden müssen wir das zweite Frühstück und das Mittagessen verschieben, um nacheinander dem SRA-Chef, dem Chef der Sicherheitspolizei, dem hiesigen Administrator (wir stören ihn beim sonntäglichen Mittagessen im Familienkreis) und dem Field Monitor (wir versuchen ihn bei der Arbeit aufzuspüren, laufen aber nur stundenlang im Kreis hinter ihm her) einen Besuch abzustatten. Wir müssen die freundlichen, immer gleichen Fragen beantworten. Thomas versichert uns, der District Chef sei die letzte aufzusuchende Person in der Reihe. Wir benötigen einige Minuten um zu begreifen, dass dieser Posten mit einer Frau besetzt ist. Mary Biba, die Chefin des Yambio-Country, hinterlässt bei uns einen engagierten Eindruck.

In Yambio hatten wir Gelegenheit, die Arbeit der Hilfsorganisationen kennen zu lernen. Das Anwesen von UNICEF in Yambio hat neben eigenen Projekten auch die Aufgabe, Sicherheitsschirm zu sein für alle Hilfsorganisationen, die sich im westlichen Teil des Südsudan engagieren. Unterwegs waren uns manchmal Gruppen ausgesprochen junger, bis an die Zähne bewaffneter Burschen in Uniform begegnet. Wir waren jedes Mal froh, wenn wir an ihnen vorbei kamen ohne von ihnen angehalten zu werden. Bei UNICEF in Yambio wurde bestätigt, was wir bereits vermuteten: Noch längst nicht alle Kindersoldaten der SPLA sind an das UNICEF Resozialisierungsprogramm übergeben worden. Ungestört und ungeniert konnten wir am nächsten Tag auf dem Markt fotografieren. Einzig bei Maisöl aus großen „Donated by USA"-Kanistern,die portionsweise in Flaschen abgefüllt feil geboten wurden, winkte unser Aufpasser ab. Wegen der in rauen Mengen vorhandenen Speiseöl-Spende ist das in Heimarbeit produzierte rote Palmöl der Marktfrauen nebenan nicht annähernd so gefragt, wie auf anderen Märkten Afrikas. Die Präsenz amerikanischer Hilfsgüter und Helfer und unglaublich vieler neu eröffneter Bibelschulen ist augenfällig.

Jeep im Schlamm  
Jeep im Schlamm. FOTO: afritracks

Raus aus dem Südsudan

Nur selten treffen wir auf andere Fahrzeuge und sind immer erleichtert, wenn wir darauf ein Emblem einer Hilfsorganisation erkennen können. Dank einem UNICEF-Fahrer verfügten wir über Routen- und Übernachtungstipps bis nach Uganda hinein. So klopften wir diesmal gleich bei der deutschen Aktion Afrika Hilfe e.V. (AAH) an. Sie gilt als größte NGO in der Region und hat hier bereits 1991 mit medizinischer Grundversorgung in abgelegenen Gebieten begonnen. Heute versorgt AAH vor allem Krankenhäuser und -Stationen mit Ärzten und Medikamenten.

Die kongonahe Route Richtung „Hauptstadt" Yei ist wegen umgestürzter Bäume gesperrt. Ob die Strecke in Richtung Mundri und Juba eine bessere Wahl ist, ist zu bezweifeln. Die Abzweigung nach Yei wollen wir keinesfalls verpassen, denn Mundri liegt bereits im Einzugsgebiet der Kampfzone um Juba, hieß es. Auf offener Strecke denken wir an die UNICEF-Berichte und suchen automatisch den Himmel nach „feindlichen" Flugzeugen oder Hubschraubern ab. Eine Frau windet sich schreiend im Straßengraben. Nicht weit davon eine brennende Hütte. Bewaffnete Männer kommen uns entgegengelaufen. Bloß nicht anhalten, wir fahren weiter. In Yei weist eine große Kirche den Weg zum Catholic Relief Service. Zwei eritreisch aussehende Consultants und der Leiter der technischen Entwicklung der SPLA/-M sind dort gerade in eine Diskussion über die wirtschaftliche Entwicklung des New Sudan vertieft. In Yei wimmelte es nur so von Hilfsorganisationen, deutlich zu erkennen am höheren Aufkommen von Landcruisern. Am Grenzposten in Kaya ging es zu wie in Bregenz. Im zehn Minuten Takt wurde ein UN-Truck nach dem anderen abgefertigt. Zirka zwanzig warteten bereits von der anderen Seite. Die Ausreiseformalitäten waren schnell erledigt. Wir sind in Uganda.

Sabine Fratzke, Ulm



[Download Südzeit 01/06 Seite 3 bis 5 (171 KB, pdf)]