Etappe 27: New Sudan
(S/Yubu - Tamboura - Yambio -
Maridi - Yei - Kaya 14. - 19.2.2)

"Willkommen." lautete die Antwort des Boten. Eine Bedingung hatten wir jedoch zu erfüllen: Für die Reise durchs Niemandsland sollten wir eine Eskorte nehmen. Wir waren uns nicht sicher, ob diese Ansage wirklich von den Sudanesen kam oder ob es auf dem Mist des zentralafrikanischen Kommandanten gewachsen war. Er stellt uns die beiden Auserwählten vor. Sehr schlau, um nicht zu sagen durchtrieben bemerkt er, dass es sich um mutige Freiwillige handeln würde. Wären sie im Dienst, wäre dieser Begleit-Service für uns als Gäste des Landes (meine Formulierung, als Begründung, warum die bereits erledigten Ausreiseformalitäten umsonst seien) natürlich kostenlos.

Da sie sich jedoch in ihrer Freizeit befinden, müssen wir, die von den Sudanesen geforderte Eskorte bezahlen. Ob die Erläuterungen zutreffen ist nicht unmittelbar erkennbar: Die beiden tragen genau die selbe zerschlissenen Kleidung und dieselben Gewehre, wie am Abend zuvor, als sie sich noch im Dienst befanden (wenn sie ihre Waffen nicht gerade einem völlig unterbelichteten Junior geliehen hatten, der damit am liebsten unter unseren Nasen herumgefuchtelt hatte).

Noch drei Kilometer trennten uns von der Grenze zum Südsudan. Die letzte Möglichkeit umzukehren. Würde wir wirklich freundlich empfangen werden. Was würden wir für die Durchreise bezahlen müssen? Was passiert, wenn aus dem soeben erst entdeckten abgerissenen Tankschlauch der wohlkalkulierte Diesel ausläuft? Gibt es drüben welchen zu kaufen? Geht es so weiter wie die letzten 100 km? Gibt es überhaupt noch Pisten dort drüben? Wir erklären uns einverstanden mit der Eskorte. Es gibt kein Zurück.

Im Schatten des Buschpfades zwischen Bambouti, dem äußersten zentralafrikanischen Posten und S/Yubu Payam treffen wir auf einige Gestalten. Wie sich herausstellt sind es jedoch nicht die befürchteten Marodeure, sondern die Bewohner Bamboutis mit ihren Waren - vor allem Palmwein - auf dem Weg zum wöchentlichen Markttag unter einem ausladenden Baum auf der sudanesischen Seite der Grenze.

An der eigens für uns improvisierten Grenze (ein dicker Ast quer über dem Trampelpfad) wartet bereits das Empfangskomitee. In den Sekunden bis das Auto steht versuchen wir in den Gesichtern zu lesen. Bernd kurbelt das Fenster herunter. Die draußen sind spürbar genauso unsicher wie wir. Ein "Welcome" ruft Bernds Begeisterung hervor. Nach vier Monaten Reise spricht man endlich englisch. Hände werden geschüttelt. Unsere "Helden" warten schon auf ihre Entlohnung. Dann übernimmt ein Sudanese in kariertem Hemd, mit Strohhut ihren Platz und damit unsere Führung. Der "Schlagbaum" wird geöffnet. Im bunten Treiben des winzigen Marktes betreten wir südsudanesischen Boden.

Entlang einer Allee dunkelgrüner Mangos rollen wir nach Si Yubu Payam hinein. Ein grauhaariger Herrn kommt uns entgegen. Er erinnert mit seinem Spazierstock an einen vornehmen Opa bei seinem Sonntagsausflug. Der Sudanese bedeutet uns anzuhalten und ihn zu begrüßen, denn der freundliche John ist der hiesige Polizeichef. Keine zwanzig Meter müssen wir erneut halten. Unser Begleiter will sich mit einer engagiert wirkenden Frau unterhalten - Margret ist die "Administrator", wird uns beim Weiterfahren verraten. Eine Frau als Verwaltungschefin, wir sind überrascht.

Die kurze Fahrt findet am Ende der Allee vor einem flachen u-förmigen Gebäude ihr Ende. Einschusslöcher dokumentieren das wir ein Kriegsgebiet betreten haben. Wir schütteln Hände der Anwesenden und warten unter einem der Mangobäume und gemeinsam auf die Ankunft des Schlüssels. Wie sich später herausstellt handelt es sich bei den blankgesessenen, nicht definierbaren LKW-Karosserie-Teilen um die Überreste eines Scharmützels.

Zwei abgewetzte Schreibtische voller Akten und einige Stühle sind die spärliche Möblierung eines dunklen Büroraumes. An den sonst kahlen Wänden - ein Poster des Präsidenten der RCA (République Central Africain = Zentralafrikanische Republik). Noch mehr verblüfft uns das an einer anderen Wand hängende, handgezeichnete Organigramm der SPLM / SPLA (Einheitspartei bestehend aus dem Zusammenschluss der Sudanese People Liberation Movement und Sudanese People Liberation Army) und ein detaillierter örtlicher Stadtplan. Nur wenige Afrikaner, die uns bisher begegnet waren, konnten eine Karte lesen, geschweige denn selbst eine erstellen.

Während wir vor den L-förmig angeordneten Schreibtischen Platz nahmen, drapierten sich fünf Aktivisten der SPLM/-A dahinter, womit die Szene den Charakter einer gerichtlichen Anhörung erhält. Anstatt uns jedoch mit Fragen zu bedrängen, eröffnet der zuvorkommende Vorsitzende zunächst eine Vorstellungsrunde, in der wir Namen und Funktion aller Anwesenden erfahren. Das Vorstellungsritual scheint für unsere Gegenüber nichts ungewöhnliches zu sein. Nur für einen kurzen Augenblick erinnert mich die Atmosphäre daher eher an den Beginn eines CVJM-Jugenleiter-Kurses.

Doch dann herrscht gespannte Stille, die nur kurz unterbrochen, wenn der Vorsitzende eine Seiten in unseren Pässen umblättert. Die etwas zu genaue Begutachtung verrät, dass er eigentlich nicht genau weiß, was er zwischen den vielen Stempel finden will oder aus unserer Sicht besser nicht entdecken soll. Einige Minuten später gibt er daher die Dokumente an den nächsten in der Runde weiter, wo sie der gleichen überkritischen Kontrolle unterzogen werden.

Nun beginnt er mit einer Reihe von Fragen, die wir während der nächsten Tage noch unzählige Male beantworten müssen. Meist werden sie bewusst unbefangen und freundlich gestellt, ihr Inhalt verrät jedoch, dass man in einer Kampfzone eher auf ein Verhör mit potentiellen Feinden vorbereitet ist, als auf den Empfang von Touristen. Was wir im Sudan wollen, wie wir hierher gefunden haben, wohin wir nach dem Sudan wollen, was wir dort, wo wir hin wollen erledigen wollen, usw.. Währenddessen wandern unsere Pässe durch die Runde und alle, die nicht gerade ihren Blick in unsere Papieren werfen, beobachten uns bei der Beantwortung der Fragen.

Ein besonders beklemmendes Gefühl kommt auf, als der Vorsitzende unsere Kängurutasche haben will. Darin befindet sich immer Bargeld, Pässe und Fahrzeug-Dokumente. Normalerweise würden wir diese Tasche nie aus der Hand geben. Weil wir uns halbwegs sicher gefühlt hatten, hatte keiner von uns den Gurt umgeschnallt. Die SPLAler interpretierten den Beutel daher als Handtasche und wollten ihn durchsuchen. Die Barschaft wird sehr diskret sofort zurückgegeben. Die Fahrzeug-Dokumente folgten nach kurzer Besichtigung. Unsere Pässe werden uns allerdings noch nicht so schnell ausgehändigt.

Warum wollen wir nach Uganda? Um die Gorillas anzuschauen. Aha. You know, that there are gorillas in New Sudan? Nein, wirklich? Wir sind verwirrt. Was wollte er wissen? Erst viel später, als sich die Anspannung etwas gelegt hat, begreifen wir den Witz: Gorilla und Guerilla klingt im Englischen gleich.

Wir entschieden uns dafür, Andy ab jetzt besser nicht zu kennen. Zum einen hatten wir festgestellt, dass sein Zeitbudget kleiner und damit der Wille seinen Geldbeutel zu öffnen größer war als unserer. Zum anderen dachten wir, es könne verdächtig wirken, von unserer Begegnung in Yaounde zu sprechen.

10.000 sudanesische Pfund (Währung aus der Kolonialzeit gilt im Südsudan heute noch als Zahlungsmittel, während in Norden der sudanesische Dinar eingeführt wurde.) pro Person, eröffnet uns der Vorsitzende, sei die Einreisegebühr in den New Sudan. Auf unsere skeptische Nachfrage wird uns versichert, dass es sich hierbei um eine einmalige Visa-Gebühr handeln würde und alle weiteren behördlichen Kontakte kostenlos seien. Da wir dem (insbesondere nach 2000 Kilometer RCA-Roadblocks) keinen Glauben schenken, beginnen wir vorsichtig zu handeln. Den Gegenübenr fehlt offenbar eine vergleichbare Wertorientierung, weshalb wir uns schnell auf 5.000 CFA für beide zusammen einigen können (Sudanesisches Pfund wird 1:1 zum CFA gehandelt).

Bei der anschließenden gründlichen Durchsuchung des Fahrzeugs erregten unsere Tauchpässe die meiste Aufmerksamkeit (Dokumente!) und ein Souvenir aus dem Artisanat in Bangui - eine Figur eines Schwarzen im Bastrock - wurde in einer Art amüsiert herumgereicht, als ob diese Bekleidungsweise schon weit mehr als zwei Generationen der Vergangenheit angehören würden. Die Spannung legt sich langsam, die ersten Hürde scheint geschafft.

Unsere endgültigen Reisepapiere sollten wir jedoch im District Headquarter in Tamboura abholen. Justice wurde daher auserwählt uns mit unseren Pässen nach Norden zu begleiten. Nach kurzer Verhandlung bestand sein Entgelt aus einer spaßigen Autofahrt und der Möglichkeit mit den alten Freunden in der Bezirkshauptstadt zu feiern. Dafür sollten wir den Proviant mitbringen.

Auf dem kleinen Grenzmarkt war Gemüse Mangelware. Immerhin gab es Maismehl-Baignets und Bananen. Die älteren Bewohner von Si Yubu Payam waren offensichtlich sehr erfreut über die ersten Touristen seit zwölf Jahren (Wir weniger: "You know, there was a guy with a motorbike, ten days ago. Do you know him?"). Jeder wollte unsere Hände schütteln. Wir hatten den Eindruck, unserer Erscheinen bedeutet für sie eine Normalisierung der Lage. Auf dem Markt trafen wir auch unsere "tapfere" Eskorte, die bereits einen nicht unerheblichen Teil des Entgelts in Palmwein angelegt hatte und uns nun gerne wieder zurück in die RCA begleitet hätte.

Justice hatte sich unterdessen mit seiner eigenen Vorstellung von Proviant eingedeckt. Mit einem randvollen Kanister Palmwein zwischen den Beinen (Deckel = ein Palmwedel) holperten wir Richtung Norden, mit dem Ergebnis, dass unserer Toyo begann sich in einen Gärbottich zu verwandeln. Je mehr wir uns Tamboura näherten desto leerer wurde glücklicherweise der Kanister und desto voller unglücklicherweise unser Begleiter. So gesprächig geworden erfuhren wir von dem jungen Mann, dass sein Vater vor zehn Jahren mit Gewalt gezwungen wurde, einen seiner Söhne für den Kampf der SPLA zur Verfügung zu stellen. Er war damals 15 und konnte damit die Schule nicht beenden. Fünf Jahre hat er anschließend mit den Kampfgefährten im Busch gelebt. Leicht angetrunken meint er kurz wehmütig, seine besten Jahre seien verloren, um gleich darauf wieder enthusiastisch von erfolgreichen Schlachten zu berichten, deren Schauplätze wir soeben passieren.

Die Ortseinfahrt von Tamboura ist gekennzeichnet von Mangobäumen, an denen handgemalte und mit Totenköpfen verzierte Minenwarntafeln hängen. Mehr als in S/Yubu sind an allen festen Gebäuden deutliche Kampfspuren zu sehen. Uns wird bewusst, dass wir mit unserer Fahrt nach Norden dem aktuellen Kampfgebiet im Bahr-el-Gazal einige Kilometer näher gerückt sind. Am Unicef-Brunnen um die Ecke fasst gerade ein "im Kampf eroberter" Toyota Hilux Wasser. Obwohl wir prinzipiell auf die Existenz von Hilfsorganisationen gehofft hatten sind wir überrascht, als wir inmitten dieser Szenerie hinter einigen Hütten die ersten UN-Fahrzeuge erspähen: Einer der üblichen 75er und ein sogar ein 8x8.

Nach kurzer Wartezeit zwischen den flachen Administrationsgebäuden, erscheinen mehrere dynamische junge Männer, die uns ebenso wie in S/Yubu freundlich begrüßen. Mit gespanntem Unterton insistiert einer, warum wir uns erst als Touristen und dann als Reisende bezeichnen (einige konnten mit dem Wort Touristen nichts anfangen). Die Stammesmal-Narben im Gesicht zeichnen ihn als Dinka aus. Nacheinander verschwinden die Männer im Gebäude um zunächst ohne uns zu tagen.

Als wir hereingebeten werden, folgt eine Kurzversion des Woher-Wohin-Warum-Verhörs. Anschließend stellt uns der Sprecher die Ziele der SPLA vor. Sein Kurz-Referat informiert uns über die Motivationen für 20 Jahre Kampf: Im Norden leben zwar 90 % der Moslems und im Süden 90 % der Christen des Landes, dennoch sei es mehr ein Kampf der Ethnien, denn der Religionen. Sie hätten keine Problem mit den hier lebenden Moslems. Die in Khartoum regierenden Araber jedoch würden die Schwarzen schlecht behandeln. Der Süden verfügt über nahezu alle Rohstoffe (Früchte, Diamanten und vor allem Erdöl), die vom Norden rücksichtslos ausgebeutet werden. Im Gegenzug würde eine Weiterentwicklung des Landes nur im Norden stattfinden, was man schon am Zustand der Straßen erkennen könne. Man sei durchaus bereit, die Rohstoffe zu teilen, jedoch sei daran die Bedingung des gleichberechtigten Mitspracherechts geknüpft. Als Touristen wurden wir im New Sudan nochmals ausdrücklich willkommen geheißen. Wie wir feststellen würden, seien die Menschen hier sehr gastfreundlich und hilfsbereit. Sie hofften, wir würden uns wohl fühlen und so zu Botschaftern des New Sudan werden (diese Strategie müssen sie wohl bei Khadaffi gelernt haben).

"No dangerous people, no dangerous animals, the road is your only enemie.", mit dieser Entschuldigung für die Beschaffenheit der Pisten wünschten sie uns eine gute Reise durch ihr Land. Sie empfahlen uns innerhalb des von ihnen seit über 12 Jahren befriedeten Streifen entlang der Westgrenze zu bleiben und nicht über Juba zu fahren, weil sich dies derzeit unter Kontrolle der Nordregierung befindet. Laut ihrer Meinung würden wir eventuell hineinkommen, aber auf keinen Fall wieder heraus, weil man uns in Juba vermutlich als Spione festhalten würde. Wir sollten am nächsten Morgen unsere Pässe und Reisepapiere erhalten und nach Si Yubu zurückbegleitet werden. Vorsichtig argumentierten wir mit fehlendem Komfort während der Reise, um uns eines weiter mit uns reisenden Begleiters gerade noch erwehren zu können.

Währen die SPLA ihre Informationsnetze aktivierte um eventuell vorhandene Informationen über uns zu sammeln, schlugen wir unser Nachtlager vor dem Country Headquarter auf und diskutierten mit unserem Guard und anderen die deutsch-deutsche Entwicklung. Ein etwas palmweingesprächiger und bibelenthusiastischer junger Mann berichtete uns von seinen zahlreichen Ausbildungsseminaren außerhalb des Landes in Bangui, Nairobi und Arua (wo sich übrigens auch ein UNHCR Flüchtlingslager befindet). Wir konnten nicht genau herausfinden um welcher Art Seminare es sich gehandelt hat.

Angesichts der Aussicht auf das Gefängnisgebäude, erkennbar an den vielen Stahlgittertüren, war die freundliche Bemerkung "Don't worry even if they find something" eines SPLA-Aktivisten nur wenig tröstlich. Man benötigt daher in manchen Situationen durchaus gut trainierte Nerven um auf einem guten Gewissen wirklich ein sanftes Ruhekissen zu finden.

Zum Abschied ging es am nächsten Morgen zum Bezirkschef. Er empfing uns traditionsgemäß in einer halboffenen Rundhütte, die als nächste zum Eingang des mit Strohmatten umzäunten Kompounds steht. Nachdem wir Höflichkeiten ausgetauscht und uns in den bequemen Stühlen neben dem Countrychief niedergelassen hatten, wurden wir nach einen kurzen und freundlichen Gespräch aus Tamboura verabschiedet, natürlich vergaß Richard nicht zu erwähnen, dass vor zehn Tagen ein Motorradfahrer da war. Andrew hatte die Nacht auf seinem Kompound verbracht.

Eine Ehrenrunde über den Markt musste sein. In den zahlreichen kleinen Buden war trotz der Krisenlage ziemlich alles zu erhalten, was ein schwarzafrikanischen Markt üblicherweise bietet. Eines der größten Probleme, die der Geschäftstüchtigkeit der Schwarzen entgegen steht, ist ihre Familienbande. Wer einen Job hat, muss die komplette Großfamilie ernähren. Dies ist der Ruin jedes Unternehmen, dass von einem Schwarzen geleitet wird, da es in der Familie immer den einen oder anderen finanziellen Notstand aus der Kasse des Geschäfts zu beheben gilt. Sehr fortschrittlich empfanden wir daher die Tafel in einigen Buden, worauf der Besitzer verdeutlichte, dass er seinen Laden professionell zu führen gedachte: "Yes you are my relative. Thank you. Yes you are my friend. Thank you. But my buisness doesn't know you."

Wir hatten uns nicht getraut dem Leiter der Kommission in Si Yubu sein, geschickt zwischen Verhör und Durchsuchung eingeflochtenes, Anliegen abzuschlagen. Wir sollten die alte Mum mit nach Yambio zu nehmen. Der Zustand unserer Federn musste als Ausrede herhalten um weitere Fahrgäste ablehnen zu können. (Kurioser Weise glauben alle Afrikaner "ich bin nur einer" sei ein hinreichend überzeugendes Argument um nacheinander alle Leute einzuladen, die einem irgendwo auf der Strecke zwischen A und B am Straßenrand begegne und bedeuten anzuhalten). Nachdem wir Justice zurück gebracht und unsere "Ladung" an Board genommen hatten, hieß es auch in S/Yubu zum Abschied einen offiziellen Besuch beim Administrator zu absolvieren. (Frau Margret hatte ihn Tags zuvor lediglich vertreten.)

Entlang der kilometerlangen Mangoallee verließen wir S/Yubu. Die dunkelgrünen großen Prachtexemplare hatten wir lautstark bewundert, worauf John versonnen beschrieb, wie man auf Unmengen Mangos herumfährt, wenn die Früchte reif sind. Sie wüssten gar nicht was sie mit den vielen Mangos machen sollten. "Wir brauchen ein Projekt." lautete John's zeitgemäße Lösung (und versteckte Anfrage). Offensichtlich gilt diese Einstellung auch für die, bereits von den Kolonialherren angelegten, riesigen Teakplantagen, die wir jetzt durchquerten. Auf die Frage, warum sie ihre Produkte nicht verkaufen würden, hatte man erwidert, dass niemand von Leuten kaufen will, die in der Welt als Banditen gelten.

Die Buschpiste ist teilweise in sehr schlechtem Zustand. Hin und wieder passieren einige verlassene Hütten. Doch aus einigen mehr oder weniger großen Dörfern sind die Einwohner nicht geflüchtet oder bereits zurückgekehrt. Kleine Märkte und gepflegte Hütten mit Vorgärten, die von akkurat zurechtgestutzten Hecken umrandetet sind. Nach außen scheint es, als ob die Bewohner vom Krieg nicht weiter tangiert werden. Dann wieder ein zerfallenes Haus im Wald oder die Überreste eines mit Panzerfäusten von der Piste geschossenen LKWs.

Trotz vielfacher Warnungen nicht im Dunkel zu fahren mussten wir die letzten Kilometer bei Nacht hinter uns bringen. All unsere radebrechenden Nachfragen brachten kein Ergebnis. Unsere Mitfahrerin wollte immer weiter fahren und fand partout nicht ihr anvisiertes Domizil. Kilometer um Kilometer ging es durch die Dunkelheit. Hin- und wieder beleuchtete das Kerzenlicht einer Reihe von Verkaufsständen die Piste. Ein Schilderwald verriet uns, dass wir bereits drauf und dran waren, Yambio hinter uns zu lassen. Erst dann kamen wir auf die glorreiche Idee einen Passanten um Übersetzung zu bitten. Es stellte sich heraus, dass die gute Frau gerne bis nach Uganda mit uns gereist wäre. Wir können unseren Briefposttrumpf aus Obu und Si/Yubu nicht ausspielen und müssen auf einem offenen Anwesen übernachten, deren Verwalter uns nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Herzlos lassen wir unseren Fahrgast am nächsten Morgen auf dem kirchlichen Anwesen zurück. Für die Leute dort ein zusätzlicher zu fütternder Magen. Wie wir später erfuhren ist die Verbindungen zwischen Yambio und Yei sind, jedoch gut frequentiert. (Ein LKW, den man mit fünfzig anderen teilt, dürfte allerdings bedeutend unbequemer sein als unser Separée.)

Nach erfolglosen Versuchen unter den unzählbaren Kirchenschildern die richtigen zu finden liefern wir unsere Briefpost aus Obu und Si/Yubu bei der Bibliothek der katholischen Diözese ab.

Zunächst beginnt die Registrierung problematisch (es ist Sonntag). Der Schlüssel für den richtigen Stempel ist nicht verfügbar. Wie überall dokumentieren Aufbruchspuren am Tresor einschlägig mehrmalige Besitzerwechsel. Als der Verantwortliche sich einstellt, wird unser Reisepapier einmal mehr nach einem Woher-Wohin-Warum-Verhör kostenlos und freundlich mit Unterschriften und Stempel versehen.

Wie zuvor nutzen wir die Kontakte auch für einige vorsichtige Fragen. Der "Beamte" der SRA (ziviler Arm des Militärs) ist angetan von unserem Interesse und überlässt uns sein einziges gedrucktes Exemplar eines Expose zur friedlichen Entwicklung des Südsudan. Darin fordert die SPLM/-A zwar eine weitgehend autonome Verwaltung, jedoch keinen explizit eigenen Staat. Der nächste Schritt in Richtung Frieden sei die Umwandlung der Armee in eine produktive staatsunterstützende Einheit (zivile Leistungen im afrikanischen Adäquat, wie z. B. Fischen und Farmen). Durchaus vernünftig und gut entwickelte Gedanken stehen neben altruistischer Schlussfolgerungen, wie z. B. dass jeder Beamte Mitglied der Partei sein muss, um zu wissen, wie alle Bürger unabhängig von Religion oder Rasse gleich zu behandeln seien.

Vor der Weiterreise bewundern wir das Treiben auf dem malerischen Markt unter einem großen Baum. Im Vorbeigehen fragen wir pro forma den SRA-Aktivisten Thomas, ob es möglich sei, auf dem Markt Fotos zu machen. Ein Fehler, wie sich schon bald heraus stellt. Die nächsten fünf Stunden müssen wir das zweite Frühstück und das Mittagessen verschieben um nacheinander dem SRA-Chef, dem Chef der Sicherheitspolizei, dem hiesigen Administrator (wir stören ihn beim sonntäglichen Mittagessen im Familienkreis) und dem Field Monitor (wir versuchen ihn bei der Arbeit aufzuspüren, laufen aber nur stundenlang im Kreis hinter ihm her) einen Besuch abzustatten.

Wir müssen die freundlichen, aber immergleichen Fragen beantworten. Wer wir sind, wie wir hergefunden haben, was wir hier wollen, wozu wir Fotos machen wollen und was wir hinterher mit den Fotos machen wollen. Grundsätzlich hat der jeweils aufgesuchte Amtsträger schließlich nichts gegen unser Ansinnen einzuwenden, fordert uns aber auf, zur Vervollständigung der Formalitäten noch den sowieso zu konsultieren. So wandern wir kreuz und quer durch Yambio und lernen alle Menschen kennen, die in dieser Stadt etwas zu sagen haben. Unerschütterlich begleitet uns Thomas von einem zum nächsten, obwohl wir nach und nach immer ungehaltener werden (ein hungerndes Monster ist bekanntlich kaum zu bändigen).

Thomas versichert uns, der District Chef wäre die letzte aufzusuchende Person in der Reihe. Eine rüstige Frau weist uns den Weg zur Empfangshütte. Ein Mann mittleren Alters erhebt sich bei unserem Eintreten. Wir nehmen neben der Frau Platz und warten. Thomas unterhält sich mit den beiden, worauf die Frau das Wort an uns richtet. Wir benötigen einige Minuten um zu begreifen, dass Mary Biba die Cheffin des Yambio-Country ist. Es sei ein Experiment gewesen, diesen Posten mit einer Frau zu besetzen. Sie denkt, dass es ganz gut klappt. Bei dem engagierten Eindruck, den Mary Biba hinterlässt, ist dies sicherlich eine bescheidene Untertreibung. Wie alle anderen heißt auch sie die Touristen herzlich willkommen und verrät uns auch gleich, warum wir gern gesehene Gäste sind. Die Verantwortlichen hätten gerne mehr unabhängige Augenzeugen. Sie nimmt daher wohlwollend zur Kenntnis, als wir entgegnen, wir hätten vermutet und jetzt bestätigt gefunden, dass es in dieser Region eine staatsähnliche Organisationsstruktur.

Sie lacht, als sie von unserer Odysee erfährt. "Die wollten das alle nicht entscheiden, deshalb haben sie Euch immer weiter geschickt." Eigentlich sollte sie sich zuvor eine Genehmigung aus Yei holen. Da alle anderen jedoch keine größeren Einwände hatten, schreibt sie eine kurze Anweisung für den Field Monitor und beauftragt Thomas uns beim Fotografieren zu begleiten.

Von Mary Biba erfahren wir auch, dass die meisten der jungen Leute unentgeltlich die Belange der SPLA/-M erledigten. Wir luden Thomas daher ein, mit uns zu Mittag zu essen. Inzwischen war es Nachmittag geworden, womit sich die Aufnahmen erledigt hatten: Der Großteil der Markfrauen befand sich bereits auf dem Weg nach Hause. Resigniert nehmen wir den Vorschlag an, die Aufnahmen am nächsten Morgen zu machen. Auf die Frage, wo wir übernachten können, antwortet Thomas: "Vor 10 Tagen kam abends ein Motorradfahrer, den habe ich zu UNICEF gebracht." ....

Somit hatten wir wieder Gelegenheit, die Arbeit der Hilfsorganisationen von nahem kennen zu lernen. Das Anwesen von UNICEF in Yambio ist eines von zwei Hauptstützpunkten für den Südsudan und hat neben eigenen Projekten auch die Aufgabe, Sicherheitsschirm zu sein für alle NGOs, die sich im westlichen Teil des Südsudan engagieren.

Angesichts derzeit angelaufene große Hilfskampagne "Life Line Sudan" der UN-Organisationen im Südsudan erstaunte uns die Unwissenheit der UN-Leute in Bangui umso mehr. Wir waren tagelang gegen eine Informationswand gelaufen und konnten jetzt feststellen, das UNICEF RCA auf der einen Seite Brunnen bohrt, während UNICEF Südsudan Brunnen auf der anderen Seite der Grenze baut, ohne das beide voneinander zu wissen. Genauso wenig werden zwischen den UNHCR Abteilungen kontinuierlich Informationen über Flüchtlingsbewegungen über die Grenze hinweg ausgetauscht werden.

Die holländische Leiterin Eveline van Manen konnte uns dazu nicht viel sagen. Dafür erfahren wir von ihr, was die freundlichen SPLAler nur indirekt erwähnen: Nicht alle Teile der Armee befinden sich unter Kontrolle der Verwaltung. Einige marodierende Truppen ziehen durchs Land und beschaffen sich ihren Sold bei gewalttätigen Überfällen. Ein Menschenleben gilt hier nichts und sie haben keine Skrupel die Waffe zu benutzen. Es kam schon vor, dass wegen einem Stück Fleisch gemordet wurde. Wir haben Glück. Aufgrund ihrer täglichen Funkverbindungen weiß sie, dass diese "Rebellen" sich gerade weiter nördlich aufhalten. Später, als wir schon längst wieder in sicheren Gebieten reisen, berichtet uns ein ehemaliger UN-Mitarbeiter aus eigener Erfahrung von einer tödlichen Requirierung des Fahrzeugs.

Ein weiteres Risiko ist die Lufthoheit über diesem Gebiet. Jederzeit kann die Khartoum-Regierung Ansiedlungen bombardieren. Vor zwei Jahren wurde in Yei der Markt und das Krankenhaus angegriffen. Obwohl dies schon lange nicht mehr praktiziert wurde (dies hat dem Sudan viele internationale Proteste eingebracht), verfügt UNICEF in Yambio über bombensichere Bunker. Nicht ohne Grund, denn wie wir später erfahren, wurden zur selben Zeit im Norden Anwesen des World Food Programm bombardiert.

Unterwegs waren uns manchmal Gruppen ausgesprochen junger, bis an die Zähne bewaffnete Buschen in Uniform begegnet. Wir waren jedes Mal froh, wenn wir an ihnen vorbei kamen ohne von ihnen angehalten zu werden. Bei UNICEF in Yambio wurde bestätigt, was wir bereits vermuteten: Noch längst nicht alle Kindersoldaten der SPLA sind an das UNICEF Resozialisierungsprogramm übergeben worden.

Im Gegensatz zur SPLM/-A waren die Helfer nicht ganz so begeistert vom neuen "Touristenstrom". Einige sehen damit weitere Probleme auf den New Sudan zukommen. Ein schwarzer Berater war gar der Meinung, dass wir mit der Wiedereröffnung dieser Route den Spionen aus dem Norden den Weg geebnet hätten ;-).

Wir dagegen fanden bestätigt, was uns schon im Tschad aufgefallen war. Das Geschäft der Hilfsorganisationen ist inzwischen zu einer richtigen Industrie herangewachsen. Unserem Eindruck nach muss sich vor allem um Nairobi herum eine regelrechte Hilfsorganisationszulieferindustrie gebildet haben, die sich an der Hilfe für den schwarzen Kontinent dumm und dusslig verdient. Wir trafen Weiße und Schwarze Consultant, die für einige Tage zu einem Seminar in den Südsudan kamen, wurden angesprochen von liegen gebliebenen 8x8-Fahrern, die Auftragsstückgut für die UN fuhren und aßen auf dem UNICEF-Kompound in einer Kantine, die an ein kenianisches Safari Catering Unternehmen unterverpachtet war.

Beim abendlichen Bier trafen wir dort auch den kompetenten Fahrer Alfred wieder, der uns tags zuvor in rasantem Tempo entgegen gekommen war. Er wunderte sich warum wir drei mal mehr Zeit wie er für dieselbe Strecke benötigt hatten. Auf solch sportliche Vergleiche pflegt Bernd zu entgegnen: "Das Auto, das ich fahre ist mein eigenes. Das bedeutet, ich muss es selbst bezahlen und auch selbst reparieren."

Ungestört und ungeniert konnten wir am nächsten Tag auf dem Markt fotografieren. Einzig bei Maisöl aus großen "Donated by USA"-Dosen, die portionsweise in Flaschen abgefüllt feil geboten wurden, winkte unser Aufpasser ab. Während Thomas vermutlich "nur" das Bild scheute, welches die Spendengeschenke als Handelsware auf dem Markt abgaben, ist die Spende des amerikanischen Überschussprodukts überhaupt zweifelhaft. Wie die europäischen Kleiderspenden vernichtet "gut gemeint" hier wieder einmal mehr einen lokalen Markt und weist der Bevölkerung den Weg in die Abhängigkeit von Almosen. Dank der in rauen Mengen vorhandenen Speiseöl-Spende ist das in Heimarbeit produzierte rote Palmöl der Marktfrauen nebenan nicht annähernd so gefragt, wie auf vielen anderen Märkten Afrikas.

Abgesehen von den lokalen Auswirkungen der massiven Präsenz amerikanischer Hilfsgüter und Helfer (u. a. unglaublich viele neu eröffnete Bibelschulen), ist augenfällig, dass die Kampagne "Life Line Sudan" voll auf Linie amerikanischer Außenpolitik-Interessen liegt und vorzüglich dazu dient den moslemischen Norden zu destabilisieren (wir haben von den SPLAlern keine Antwort bekommen, als wir sie nach positiven Folgen des 11. Septembers gefragt haben). Im Südsudan trat für uns besonders deutlich die verhängnisvolle Verstrickung karitativer Maßnahmen mit der Wahrung handfester politischer und wirtschaftlicher Interessen zu tage. Die Folgen sind meist nicht zu überschauen und am allerwenigsten von den Betroffenen selbst.

Die neue Schule mussten wir ebenfalls fotografieren (der Stolz aller Offiziellen). Als Thomas erst den Field Monitor fragen wollte, ob wir das Grab des Gründers von Yambio fotografieren dürften, insistierten wir nicht weiter. Um Erlaubnis die zerbombte und ausgebrannte Moschee ablichten zu dürfen, fragten wir besser gleich gar nicht.

Nach dem zusätzlichen Besuch der Verkehrspolizei (am Samstag und Sonntag war keinen Registrierung notwendig, weil sie nicht offen hatte ;-) ) führte uns die rote holprige Buschpiste bis Maridi. Die hügelige Landschaft ermöglichte öfter einen Blick in den nahen Kongo. Auch die Rebellen dort pflegen sich hin und wieder durch Ausfälle in den New Sudan zu versorgen. Öfters winkten uns auf eine Mitfahrgelegenheit hoffende Leute anzuhalten, was wir jedoch nicht nur wegen unserer bisherigen Passagierbeförderungserfahrung besser unterließen. Nur selten treffen wir auf ein anderes Fahrzeug und sind immer erleichtert, wenn wir ein Hilfsorganisations-Emblem darauf erkennen können.

Dank dem UNICEF-Fahrer Alfred verfügten wir über Routen- und Übernachtungstips bis nach Uganda hinein (um in den südöstlichen Teil des Südsudan zu kommen müssen auch die Hilfsorganisationen den Umweg über Uganda nehmen). So klopften wir diesmal gleich bei der deutschen Aktion Afrika Hilfe e. V. (AAH) an. Sie gilt als größte NGO in der Region und hat hier bereits 1991 mit medizinischer Grundversorgung in abgelegenen Gebieten begonnen. Heute versorgt AAH vor allem Krankenhäuser und -stationen mit Ärzten und Medikamenten. Die Arbeit von AAH gilt als besonders effektiv, weil sie gute Verbindungen zur jeweiligen Kommunalverwaltung pflegen. Einzigartig ist auch, dass die Weißen nur noch hin und wieder vorbeischauen und das Projekt vor Ort von Schwarzen geleitet wird.

Dem ersten Eindruck nach machte der Fuhrpark einen verbeulteren Eindruck als bei anderen NGOs. Bei genauerem Hinsehen konnte man jedoch erkennen, dass hier ein fähiger Kopf am Werk ist, dem es gelingt, unter diesen Bedingungen die Fahrzeuge länger am Leben zu erhalten als dies bei anderen Organisationen üblich ist. AAH bekommt teilweise die Fahrzeuge, die von anderen Organisationen heruntergeritten und abgeschrieben sind. Dank des engagierten Werkstattleiter Festus bleiben die Gefährte aller Größen der Organisation noch Jahre erhalten. Wir verstanden war kein Wort, konnten aber eindeutig erkennen, dass Festus gerade versuchte seinen Mitarbeiter klar zu machen, warum man nicht mit einer abgeklemmten Batterie fahren sollte, auch wenn das durch Anschieben ermöglicht werden kann. Sein Minenspiel glich dem eines Weißen, der sich angesichts soviel versammelter Unfähigkeit gerade noch beherrschen kann, nicht aus der Haut zu fahren. Jetzt muss Festus sich überlegen, woher er eine neue Lichtmaschine bekommt.

Vor der Administration in Maridi (auch diese mit Einschusslöchern verziert) campierte ein Ugander vor seinem 8x8. Nach einen Unfall wurde der Fahrer des Gefährts bis zur Klärung des Vorfalls von der SRA im Gefängnis festgehalten. Wir hofften nur, uns möge hier kein derartiges Missgeschick passieren.

Den Fotoapparat lassen wir freiwillig im Auto, als wir auf dem Markt das übliche Frühstück, bestehend aus Eier und Tee zu uns nehmen.

Die kongonahe Route Richtung "Hauptstadt" Yei ist wegen umgestürzter Bäume gesperrt. Ob die Strecke in Richtung Mundri und Juba eine bessere Wahl ist, ist zu bezweifeln. Die Abzweigung nach Yei wollten wir keinesfalls verpassen, den Mundri liege bereits im Einzugsgebiet der Kampfzone um Juba, hieß es. Auf offener Strecke denken wir an die UNICEF-Berichte und suchen automatisch den Himmel nach "feindlichen" Flugzeugen oder Hubschraubern ab. Eine Frau windet sich schreiend im Straßengraben. Nicht weit davon eine brennende Hütte. Bewaffnete Männer kommen uns entgegengelaufen. Blos nicht anhalten, wir fahren weiter.

Erstmals auf der ganzen Strecke trafen wir am Ortsrand von Yei auf eine regelrechte Barriere. Eigentlich hatten wir überall solche Sicherheitsmaßnahmen erwartet. Im Rahmen unserer Fotoodyssee in Yambio hatten wir aus uns nicht ersichtlichen Gründen ein zusätzliches Reisepapierformular erhalten. Mehrfach hatten wir uns deshalb nicht nur in einem, sondern in zwei Büros der Frageprozedur unterziehen müssen. Wir hatten daher bereits mit dem Gedanken gespielt, das zweite Formular nicht mehr vorzuzeigen. An dieser Barriere waren wir froh es ordentlich gestempelt vorweisen zu können.

Eine große Kirche wies uns den Weg zum Catholic Relief Service, wo wir herzlich willkommen geheißen wurden. Zwei eritreisch aussehende Consultants und der Leiter der technischen Entwicklung der SPLA/-M waren gerade in eine Diskussion über die wirtschaftliche Entwicklung des New Sudan vertieft. Ortsüblich wurde auch hier das warme Wasser für die Kübeldusche in großen Kesseln erhitzt und stand abgefüllt in Kanistern vor der Duschhütte zur Verfügung. Dieses Mal gab's eine Warmdusche mit Duftzusatz, der für besonders porentiefe Reinheit sorgte: Der große gelbe Plastikkanister hat vermutlich vor noch nicht allzu langer Zeit sein Orginaldasein als Kerosinbehältnis aufgegeben.

In Yei wimmelte es nur so von Hilfsorganisationen, deutlich zu erkennen am höheren Aufkommen von Landcruisern mit entsprechenden Emblemen und einem regelrechten Schilderwald. Sogar ein amerikanisches Filmteam auf Resarch Tour war anzutreffen. Sie planten einen Dokumentar-Film über die weltweite Aidsentwicklung und nahmen dies zum Anlass sämtlichen Krisengebieten in der Region einen Besuch abzustatten. In Goma sei schon alles wieder aufgeräumt und lediglich der Lavastrom mitten durch die Stadt sei noch interessant zu sehen ...

Die Registrierung befindet sich in einem frisch renovierten Gebäude. Die Einschusslöcher waren zugeklebt und überstrichen. In Yei ist man an ausländische Besuche eher gewöhnt, was sich vor allem daran erkennen lies, dass die Formalitäten erstmals ohne die nervöse Fragerei erledigt wurden. Das Kamerateam hatte jedoch berichtet, wie sensibel die SRA reagierte, wenn sie sich nicht hundertprozentig an die Anweisungen ihrer Begleiter hielten.

Ausgerechnet die Barriere am Ortsausgang von Yei ließ jedoch die wohlüberlegte Freundlichkeit vermissen, mit der wir bisher abgefertigt wurden. Hier lungerten einige aufdringliche bewaffneten Gestalten herum, die scheinbar in Eigenregie und ohne explizites Kommando das Fahrzeug inspizierten, dabei versuchten Gegenstände zu requirieren und schließlich Geld für die Registrierung kassieren wollten. Ein älterer Offizieller verpasste ihnen einen zwar ordentlichen Anschiss, ihr Benehmen veranschaulichte jedoch deutlich, wie unangenehm eine Querung des New Sudan werden kann, sollte der politische Wille sich ändern oder wenn man einen irgendwie gearteten Verdacht auf sich zieht oder wenn man gar an die falschen Leute geraten sollten.

Am Grenzposten in Kaya ging es zu wie in Bregenz. Im zehn Minuten Takt wurde ein UN-Truck nach dem anderen abgefertigt. Zirka zwanzig warteten bereits und von der anderen Seite rollte alle zehn Minuten ein weiteres weißes 8x8-Monster heran. Dazwischen immer wieder kleinere Gruppen Geländefahrzeuge, in unterschiedlichster Mission unterwegs.

Die Ausreiseformalitäten waren schnell erledigt ("Das nächste Mal schreib ich Deine Daten auf."). Nach zirka 2000 Kilometern Busch (ab Bangui) und 4000 Kilometer Abenteuer ab Bertoua (Kamerun) erreichten wir die östliche Grenze der Zivilisation - und fanden uns auf der falschen Seite der Straße wieder.